Kampfsport, er begleitet mich seit meiner Jugend, mal mehr und mal weniger.
Er ist eine Leidenschaft von mir, etwas, für das mein Herz höher schlägt.
Als Kind wollte ich so stark wie Pippi Langstrumpf sein.
In meiner Jugend begeisterten mich Filme wie 'Fight Club' und 'Million Dollar Baby'.
Sie weckten in mir den Wunsch, einmal Profiboxerin zu werden.
Richtig gut im Kämpfen zu sein. Meine Wut und Aggression die ich im normalen Alltag so nie körperlich zum Ausdruck bringen würde, raus zu lassen. Kanalisieren in einen Sport, in dem ich all meine Kräfte frei lassen konnte.
Eine reparative Erfahrung für Menschen mit mangelndem Selbstbewusstsein.
Wer anfangs noch Hemmungen hat und denkt 'ich könnte das nie, einen anderen Menschen schlagen', würde es am Ende eines Trainings tun. Männer die sagen ' Ich boxe nicht mit Frauen' – Ich habe fast nur mit Männern trainiert und folgendes erlebt: Kassieren sie ein, zwei harte Schläge von einer Frau, werden auch sie zurückschlagen.
Ich möchte damit niemanden auffordern, aggressiv oder handgreiflich zu sein. Sondern mit dem Teilen meiner Erfahrung dafür bewusst machen, dass dieser Sport etwas heilendes haben kann, weil er Energie und Selbstbewusstsein weckt.
Außerhalb des Rings würde ich Handgreiflichkeiten immer versuchen zu vermeiden. Zum einen weil ich mich nicht beweisen muss. Und zum anderen, weil es keine Lösung ist.
Es ist ein Sport, in dem man sich komplett verausgaben kann, bis zur völligen Kraftlosigkeit.
100 Prozent Vollgas.
Das Gefühl am Tag nach einem Training – Ein Brennen. Am ganzen Körper. Druckstellen am (und vielleicht auch im) Kopf. Restadrenalin lässt es sich trotzdem gut anfühlen.
Dann weiß ich, ich habe was getan. Alles andere in diesem Leben, ist erst mal leiser gedreht.
Denn der eigene Körper, der kocht, lauter als das Drumherum.
Viele, Familie wie auch Freunde waren erschrocken , hatten Sorgen oder konnten nicht nachvollziehen warum ich das mache: „Dein schönes Gesicht!“.
Und ich dachte: „Meine schöne Kraft!“
Die äußere Schönheit vergeht eh, aber die innere Kraft und das Selbstbewusstsein, bleiben.
Klar, Gesundheitlich ist das sicher ein Sport der Verletzungsrisiken birgt. Besonders die Schläge auf den Kopf haben Langzeitfolgen, die man beim Joggen z.B. nicht hat.
Aber die Ausstrahlung und das Wissen um die eigenen körperlichen Fähigkeiten, ersparen besonders einer Frau viel Ärger und Ängste.
Mit 18 Jahren meldete ich mich bei einer Kickboxschule an, wo ich meinen ersten Boxtrainer kennenlernte, der mich dann zwei Jahre später für meinen ersten Kampf im Boxen vorbereitete.
Ich hatte das Gefühl,vor lauter Aufregung die Hälfte meiner Kraft vor dem Ring verloren zu haben, denn meine Schläge waren wie Watte. Ich hatte weder Strategie noch Energie und war so voller Adrenalin, dass ich kaum richtig gucken konnte. Der Auftritt in einer großen Halle, Hunderte Menschenaugen und Kameras auf mich gerichtet, im Mittelpunkt zu stehen, mit der Option zu verlieren...all das lenkte mich so sehr ab, dass ich kaum noch Aufmerksamkeit für das hatte, was im Ring passierte.
Das Urteil dieses Kampfes: Unentschieden.
Kurz darauf musste ich wegen einer gebrochenen Hand pausieren, zog in eine andere Stadt und richtete meine Aufmerksamkeit auf anderes als das Kämpfen.
Fast 10 Jahre später stand mein zweiter Kampf in Aussicht.
In der Zwischenzeit hatte ich während der Schauspielausbildung unter anderem in dem besagten Boxkeller 'Zur Ritze' auf der Reeperbahn in Hamburg trainiert und nach meinem Umzug nach Köln, einen Muay Thai Verein gefunden, der zeitweise wie eine zweite Familie für mich war.
Kein leichter Weg bis dahin mit vielen geplanten Kämpfen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht statt gefunden hatten: Verletzungsbedingt, Keine Gegnerin, gewünschtes Gewicht nicht erreicht oder mich hatte mein Mut verlassen...
Das Thema Gewicht spielte für mich, als 1,75m 'große' Frau mit ca. 77kg eine der Hauptrollen, wenn es um das Kämpfen ging. Abnehmen und Kämpfen waren für mich zwangsläufig miteinander verbunden, denn in dieser Gewichtsklasse gab es keine oder nur sehr selten Gegnerinnen. So kam es z.B., dass ich zur deutschen Meisterschaft fuhr, keine Gegnerin hatte und mir anschließend den Pokal ' Deutsche Meisterin' abholen durfte, ohne dafür nur einen Handschlag getan zu haben...Amüsant wie auch sinnfrei.
Spätestens da wurde mir klar, wie wertlos Titel in diesem Sport sein können.
Nichts desto Trotz wollte ich es wissen, wie es mit meinem Traum von der Kämpferkarriere aussah.
Während der 3 Jahre in dem Thai BoxVerein hatte ich es also immer wieder greifbar vor mir aber setzte es nie in die Tat um. Bis ich dann ein halbes Jahr komplett Pause machte in dem Sport und in dieser Zeit nur ins Fitnessstudio ging. Eine Woche vor dem Kampf erfuhr ich davon und sagte spontan 'Ja'. Ich fühlte mich gut, das Gewicht mit 72kg passte. Also ging ich in dieser Woche vor dem Kampf zweimal zum Training und dann ging es los.
Das war er also, der lang ersehnte Kampf im Kickboxen (Das ist wie Boxen, allerdings sind hier Tritte ebenfalls erlaubt).
Ich erhoffte mir Erleichterung, ein Ziel endlich erreicht zu haben. Ob mit einem Sieg oder verloren zu haben, jedenfalls hätte ich es endlich getan und wüsste, ob es was für mich ist oder nicht.
Das Ziel erreicht hatte ich nach dem Kampf schneller als gedacht. Der Sieg in der ersten Runde schon nach wenigen Sekunden, ohne Verletzung, ohne in Bedrängnis geraten zu sein.
Damit hatte ich nicht gerechnet.
Die Erleichterung kam dennoch nicht.
Mein Trainer war nicht zufrieden mit meiner Leistung, 'zu hektisch. Das kannst du besser'.
Ich war zwar froh, dass mir und der Gegnerin gesundheitlich nichts fehlte, aber richtig aufatmen konnte ich dennoch nicht.
Ob es daran lag, dass ich wesentlich älter und erfahrener war als meine Gegnerin und diese somit gefühlt keine Chance hatte? Es war irgendwie nicht fair.
So passiert es nicht selten in dem Sport, dass enormer Altersunterschied und ein drastisches Auseinanderklaffen der Leistungsstufen bei einem Kampf aufeinander treffen. In meinen Augen, hat das wenig mit Sport zu tun. Vor allem wenn dann Kampfrichter befangen sind und die Entscheidung eigentlich schon im Voraus feststeht, es sei denn der Kampf wird durch ein K.O. zwangsläufig anders entschieden.
Jedenfalls habe ich seit diesem Kampf nicht mehr das Bedürfnis, mich in diesem Bereich weiter zu messen.
Zu wissen, dass man etwas kann, nimmt einem niemand und ist viel wert.
Eine Leidenschaft für sich entdeckt zu haben, ebenfalls.
Und ich glaube, es gibt für alles im Leben eine Zeit.
Für mich ist die Zeit des Kämpfens vorbei.
Zähne zusammenbeißen, Schmerzen kassieren und austeilen, um mir und anderen zu beweisen 'ich kann es', es ist vorbei.
Der Sport bleibt meine Leidenschaft, wie kein anderer und ich möchte ihn nie komplett aus meinem Leben streichen, denn er macht mir einfach Spaß. Er ist ein Bedürfnis von mir, wie für andere Menschen das Lesen oder Kochen.
Vielleicht werde ich irgendwann nochmal einen Kampf machen, aber dann nur weil ich spontan Lust darauf habe.
Ich denke mit dem Kämpfen ist es wie mit dem Leben. Will man etwas zu sehr, ist zu verbissen, kostet es unnötige Kraft und man kommt wenn überhaupt sehr angestrengt und freudlos an sein Ziel.
Bruce Lee sagte einmal die weisen Worte: „ Sei wie Wasser“. Es fließt stetig mit den Gegebenheiten. Geschmeidig, schnell und ohne Kraft aufwenden zu müssen. Es nimmt Widerstände an und fließt an ihnen vorbei, ohne den Versuch diese ändern zu wollen.
Demnach stellt sich mir die Frage: Wie gehe ich mit einem Hindernis um? Statt: Wie mache ich es weg?
Denn alle vermeintlichen Hindernisse sind meiner Meinung nach dafür da, dass wir daraus lernen, wachsen und uns
weiterentwickeln. Nichts geschieht ohne Grund.
Wir können für vieles so dankbar sein.
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